Agrarpolitik

Spagat zwischen Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlichen Ansprüchen kann gelingen

29.11.2016

Die Herausforderungen für die deutsche Landwirtschaft sind vielfältiger Natur. Immer mehr Menschen müssen rund um den Globus ernährt werden, gleichzeitig muss die deutsche Landwirtschaft international wettbewerbsfähig bleiben und dazu den gesellschaftlichen Ansprüchen mit Blick auf Tierwohl, Klima und Umwelt gerecht werden. Der Spagat zwischen Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlichen Anforderungen könne durchaus gelingen, sofern die richtigen Rahmenbedingungen entwickelt würden. Das sagte Prof. Dr. Harald Grethe von der Humboldt-Universität in Berlin und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz beim BMEL im Ausschuss Ökonomie und Markt im Rahmen der Jahrestagung des Deutschen Maiskomitees e.V. (DMK) in Berlin.

Es gehe dabei nicht um Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis. Deutschland wird, so Grethe, auf den internationalen Märkten für viele Standardprodukte der tierischen Erzeugung nicht wettbewerbsfähig sein können. Das stelle bei einem rückläufigen inländischen Konsum eine Herausforderung für die Branche dar. Aus landwirtschaftlicher Sicht sei eine hohe Wertschöpfung pro Produkteinheit umso wichtiger. Mehr Tier- und Umweltschutz würden dafür zahlreiche Chancen bieten. Es müssten verschiedene staatliche und privatwirtschaftliche Steuerungsinstrumente im Rahmen einer agrar- und ernährungspolitischen Strategie miteinander kombiniert werden, um die Ansprüche an die Landwirtschaft erfüllbar zu machen. „Es ist sowohl Aufgabe der Politik, wie auch der Privatwirtschaft, die steigenden Anforderungen in den Bereichen Tier- und Umweltschutz umzusetzen. Dies ist in den letzten Jahren zu wenig geschehen, vor allem deshalb verliert die Landwirtschaft und insbesondere die Nutztierhaltung in Deutschland an Akzeptanz“, sagte Grethe, der seit 2015 Mitglied im Beraterausschuss der Brancheninitiative Tierwohl ist. Angesichts der Treibhausgasemissionen sprach Grethe von einer Verringerung des Konsums tierischer Produkte und verwies auf die Notwendigkeit einer langfristigen Moorschutzstrategie.

Hinsichtlich der Diskussion um Betriebsgrößen scheint Grethe eine Betriebsgrößensteuerung nicht sinnvoll. Die Landwirtschaft müsse selbstbewusst vermitteln, dass eine technisierte und großstrukturierte Landwirtschaft sehr wohl tier- und umweltfreundlich wirtschaften kann. Das funktioniere aber nur dann, wenn berechtigte Kritik ernstgenommen und Veränderungen umgesetzt würden. Die Kosten einer höheren Nachhaltigkeit sind teilweise erheblich, meinte Grethe. Ohne eine Finanzierungstrategie würden nur die Importe steigen und das Problem verlagert werden.

Grethe erläuterte, dass es ein Mythos sei, dass die OECD-Länder, Europa oder Deutschland die Landwirtschaft intensivieren müssten, um den Hunger zu bekämpfen. Die heute wie schon Anfang der 90er Jahre bei etwa 800 Millionen liegende Zahl unterernährter Menschen sei ein Skandal. Hunger sei aber nicht vorrangig ein Problem der globalen Mengenverfügbarkeit, sondern ein Problem des Zugangs zu Nahrung und der Kaufkraft. Vor allem in den Entwicklungsländern müsse mehr produziert werden.

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